Auf einen Kaffee mit...

Veronika Weiss

Veronika Weiss

Wir treffen Veronika Weiss in der Bar des neuen Blyb-Hotels am Tegernsee. Sie hatte die Aufgabe, die historische Villa aus dem Jahr 1892 in ein Hotel zu verwandeln. Allerdings sollte es keine der hier typischen Luxus-Herbergen werden, sondern ein junges und modernes Haus – mit coolem Restaurant, Saunahaus und Boulebahn im Garten.

In der großen, einladenden Bar bekommt man schnell einen guten Eindruck vom neuen Publikum: Auf dem Sofa sitzen zwei Berliner mit ihrem MacBook. Ein Barmann mixt einen bunten Long-Drink. Und aus unsichtbaren Lautsprechern perlt ein Mix aus Singer-Songwriter und Jazz.

Veronika wohnt um die Ecke und ist im benachbarten Bad Tölz aufgewachsen. Sie kennt den Tegernsee schon seit ihrer Kindheit.

Bevor wir über das Einrichten von Hotels sprechen: Was ist das Besondere, am Tegernsee zu wohnen – und zu urlauben? 

Ich glaube, alle, die hier wohnen, sind sich einig: Die Lebensqualität ist unschlagbar. Alles ist nah. Der See, die Berge, selbst große Skigebiete in Österreich sind nur ein Stündchen entfernt. Und mit der Bahn ist man schnell in München. Wir gehen unter der Woche oft nach Feierabend eine Runde Schwimmen oder auf den Berg. Oder beides. Und für Urlauber ist es ein Traum, dass man so viele verschiedene Ausflüge machen kann. Es gibt eine Unmenge an Bergtouren und Berghütten.

Verrätst Du uns auch einen richtigen Geheimtipp der Locals?

Hm. Also es gibt eine Bergtour zur Holzeralm. Die Alm ist vor langer Zeit abgebrannt, aber der Berg heisst so. An diesen typischen Sommer-Tagen, an denen sich ganz München auf der Neureuth Alm zusammenquetscht, sieht man dort nur wenige Menschen und man hat eine super Aussicht. Ebenfalls ein Geheimtipp: Am Freitag und Samstag gibt es am Boarhof in Holz ein Frühstück mit hausgebackenem Brot und selbst angebautem Obst und Gemüse. Das ist noch richtig ursprüngliches Tegernsee Feeling.

Wie bist Du zur Architektur gekommen? 

Ich hatte eigentlich angefangen, in München Kunstgeschichte zu studieren, bin dann aber recht schnell nach Innsbruck gewechselt und habe mich dort für Architektur eingeschrieben. Ich war mir nicht sicher, was ich studieren soll. Aber ich wusste, dass ich in den Bergen am glücklichsten bin. Während des Studiums bin ich immer viel gereist und durfte ein Jahr bei einer renommierten Architektin in Mexiko City arbeiten.

Mexiko. Das klingt spannend…

Das war sehr bereichernd als small town girl in einer der größten Städte der Welt zu sein. Es hat meinen Horizont sehr erweitert. Die Menschen in Mexiko sind unglaublich herzlich und aufgeschlossen. Und es gibt nicht so viele Normen und technische Regeln beim Bauen. Man hat viel mehr kreativen Freiraum und kann sich auf all die schönen Details konzentrieren, die in Deutschland manchmal über all die Regularien hinten runterfallen.

Nach ein paar Jahren in einem Büro am Tegernsee und bei BAND Architekten in München und Berlin habe ich mich im Jahr 2021 selbständig gemacht.

Welche Disziplin interessiert Dich am meisten an Architektur? 

Ich habe ein großes Faible für historische Gebäude. Gemeinsam mit dem Archiv für Baukunst Innsbruck habe ich den Architekturführer Innsbruck konzipiert und geschrieben und mich im Laufe der letzten zwölf Jahre immer mehr auf den Umbau und Renovierung von Bestandsgebäuden spezialisiert. Nicht nur wegen der Geschichten, die zwischen den alten Balken stecken, sondern auch, weil es nachhaltiger ist. Die Baubranche ist in Deutschland für ca. 40% der CO2 Emissionen verantwortlich. Durch Neubauten werden Grünflächen versiegelt und damit die Artenvielfalt reduziert. Die Weiter- und Umnutzung von Bestandsgebäuden ist zwangsläufig eine der Antworten auf die Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen!

Dennoch ist es oft anstrengender, ein historisches Haus zu erhalten…

Auf jeden Fall. Für den Gast unsichtbare Dinge wie Schallschutz, Brandschutz, energetische Sanierung und Leitungsführungen sind nie einfach zu lösen. Bei einem Neubau kann man vieles besser vorausplanen. Es gibt aber auch positive Überraschungen: Wir haben in der Blyb. Villa unter all den Lagen von Teppich – und Vinylböden hochwertige und gut erhaltene Parkett- und Natursteinböden gefunden. Und sie wieder freigelegt und aufbereitet. Das sind die Glücksmomente bei der Arbeit im Bestand.

Die Architektur im Blyb. Hotel ist schlicht, mit zurückhaltenden Farben und sowohl in den Zimmern als auch in der Bar stehen ein paar ausgesuchte und restaurierte Vintage-Möbel, die man in anderen Hotels am Tegernsee eher nicht sieht.

Was war die größte Herausforderung beim Projekt Blyb.? 

Wir hatten verhältnismäßig wenig Zeit und wenig Geld. Das ist das Beste und das Schlimmste zugleich… so waren wir gezwungen, schnelle Entscheidungen und pragmatische Lösungen zu finden und mit anzupacken. Das geht nur mit viel Motivation, Teamwork und Vertrauen, und das war zwischen Betreibern, Planerinnen und Handwerkern absolut top. (Anm. von uns: Marie Eham, die Tochter von den Pretty Hôteliers Jenny & Andreas Eham vom benachbarten Hotel Haltmair in Rottach-Egern hat zum Beispiel die Außenanlagen, das Gewächshaus und das Saunahaus geplant). An den Wochenenden kamen oft Freunde dazu und gemeinsam wurden Holzdecks gebaut und Möbel zusammengeschraubt. Wir kennen uns alle schon sehr lange und sind auch privat befreundet. Das muss nicht immer gut sein. Hier war es aber ein großer Vorteil, weil alle den Traum hatten, dass dieses für den Tegernsee bestimmt untypische Hotel Realität wird. Am Ende sind es immer die Menschen, die ein Gebäude zu dem machen, was es ist.

Viele Hotels vertun sich, wenn es um Farben geht. Was könnte man denen raten, die es selbst machen wollen?

Erst einmal den gesamten Raum betrachten. Welche Farbe haben Boden, Wände, Decke? Und welche Oberflächenstruktur? Ein Kissen sollte nicht ein Highlight des Raumes sein, es sollte die Qualitäten des Raums unterstreichen. Zum Beispiel eben dort schon vorhandene Farben in Abstufungen wieder aufgreifen. Sind die Wände glatt, nehme ich gerne Stoffe mit mehr Struktur und umgekehrt. Das schafft einen Ausgleich für die Sinne. Ton in Ton funktioniert grundsätzlich immer gut. Für wilde Muster- und Farb-Mixe braucht man viel Erfahrung, um sie stimmig einzusetzen.

Wie bekommt man eine positive Energie in einen Raum oder ein Hotelzimmer? 

Ich finde immer, dass die Grundlage stimmen muss: Wertige, natürliche Materialien und eine gute Beleuchtung, eine gute Akustik, nicht zu hallend durch den Einsatz von weichen Oberflächen.

Die Beleuchtung ist oft nicht einfach. Grundsätzlich sollte man für gemütliche Aufenthaltsräume eine Lichtwärme von maximal 2700 Kelvin wählen. Mit dimmbaren Lichtern kann man die Atmosphäre gut an die Tageszeit anpassen. Ein Trick ist auch, verschiedene Lichtquellen wie Tischlampen, Stehlampen und indirekte Beleuchtung in einem Raum zu haben, um verschiedene Stimmungen zu kreieren.

Das menschliche Auge braucht Abwechslung und verschiedene Elemente, um angeregt zu sein. Andererseits: Es darf kein Chaos entstehen, damit man die Orientierung nicht verliert. Das schafft man, indem man Raumteile zoniert. Zum Beispiel gibt es dann eine Einheit Teppich-Sofa-Lampe-Tisch, die eine Insel bilden. Oder Sideboard-Bild-Tischlampe-Vase. Beim Arrangieren sollte man immer auf die Gesamtkomposition schauen.

Bei einem Hotel ist auch die Sorgfalt wichtig: Wird sich um den Raum gekümmert, wird er sauber gehalten, die Dinge darin immer wieder liebevoll und mit frischem Blick arrangiert? Vielleicht gibt es frische Blumen oder schöne Musik, die der Tageszeit und Stimmung entspricht. Das ist, was man positiv wahrnimmt.

Welches Hotel bleibt Dir immer in Erinnerung? 

Ich bin immer wieder in einem kleinen B&B an der Algarve. Ein Zimmer, in dem ich geschlafen habe, ist in Feuerwehrrot gestrichen, andere in Knallgelb oder Orange, die Möbel sind zusammengestückelt. Die Fliesen der Etagenbäder sind komplett bunt. Es ist ziemlich genau das Gegenteil von dem, was ich persönlich als schön empfinde. Aber es ist günstig und sauber und die Eigentümer zaubern das beste Frühstück mit frischem Orangensaft und selbst gebackenem Kuchen. Ich mag das ehrlich gesagt sehr, dass mich die Räume so triggern. Nicht jeder hat denselben Geschmack, und das ist okay. Und nicht jeder hat einen hohen gestalterischen Anspruch, die Zeit oder finanziellen Mittel, und das ist auch okay. Und wenn einem viel Gastfreundlichkeit und Herzlichkeit entgegenkommt, ist das eine schönere Erfahrung als in einem Top- designten Hotel alles perfekt zu haben.

Hast Du noch einen persönlichen Geheimtipp für Reisefans? 

Die Villa Verdin am Millstätter See in Kärnten. Ein in die Jahre gekommenes Haus mit österreichischem Charme zwischen künstlerischer Bohème und verstaubtem Tourismusort. Das Hotel wurde mit geringen Mitteln hergerichtet (auch hier wieder: etwas „zu bunte“ Wandfarbe in manchem Zimmer) und mit Vintagemöbeln ausgestattet. Es gibt eine hervorragende Küche und eine tolle Auswahl österreichischer Weine, direkten Seezugang und eine schräge, leicht schrullige Atmosphäre, die echt Spaß macht.

Lieben Dank für das Interview, Veronika. 

Veronika Weiss erreicht man via ihrer Website www.veronikaweiss.studio oder via E-mail unter veronika@veronikaweiss.studio. Und unsere Review über das Pretty Hôtels Member Blyb.-Hotel ist unter diesem Link zu finden. Ein Besuch ist sehr zu empfehlen. Das schöne Foto von Veronika entstand im Blyb-Hotel und wurde von Philippe Arlt www.philippearlt.de gemacht.

©Pretty Hôtels.

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